Mein kleiner großer Bruder wird 30.

Herrje.

An wenig anderem merke ich so sehr, dass ich selbst älter werde.

30 ist er jetzt also, mein Lieblingsbruder.

Ich weiß, was du von diesem Titel hältst:
Das sei ja nicht schwer, so meistens deine Reaktion, schließlich seist du ja mein einziger.
Letzteres stimmt – ersteres nicht.

Lieblings ist schließlich etwas, das man sich bewusst aussucht. Gäbe es nur eine Sorte Lakritze auf der Welt – es wäre trotzdem nicht meine Lieblingslakritze.

Und weil ich ebenso weiß, dass du diese durchaus wackelige Argumentation jetzt sofort in der Luft zerreißen würdest, mach ich mal weiter, bevor du selbige holen kannst:

Lieblingsbruder steht für mich für so viel mehr. Du bist Inspiration für mich, mein Sparringspartner in einigem, Vorbild in vielem, Nervtöter in manchem. Ich bewundere deine soziale Art, feiere deinen Humor, bestaune immer wieder deine Unvoreingenommenheit sowie deine Fähigkeit, mit wirklich jedem ins Gespräch zu kommen, und stoße mich ebenso an deiner manchmal so kompromisslosen Art.

Du bist mein kleiner großer Bruder, und das groß steht keineswegs nur für die Tatsache, dass du mich seit wer weiß wie lange schon um mindestens einen Kopf überragst. Ich liebe deine Größe, in so vielen Dingen. Und ich liebe es, dass du mein Leben bereicherst. Und das hoffentlich auch noch für lange Zeit tun wirst. Auch, wenn sich unsere Wege nicht immer kreuzen.

Für den deinen wünsche ich dir Menschen, die dir den Frühling bringen, wenn du den Weg durch den Winter nicht mehr findest. Ich wünsche dir, dass der Zeit, die du gibst, immer auch Zeit folgt, die du dir nimmst. Ich wünsche dir mehr Fragen als Antworten. Und den Mut, letztere immer wieder zu suchen.

Ich wünsche dir, dass bei den Entscheidungen, die sich oftmals erst im Rückblick als die wirklich großen, bedeutsamen und wegweisenden herausstellen, dein Herz, dein Bauch und dein Kopf in trauter Einigkeit auf der Couch sitzen und sich zuprosten. Ebenso wünsche ich dir die Weisheit, dich zum richtigen Zeitpunkt  dazuzulegen und die Aussicht zu genießen. Ich wünsche dir den Glauben an mehr als das, was direkt vor deinen Augen liegt, und an das, was dein Herz zum Tanzen bringt – egal, wie kacke die Musik auch gerade sein mag.

Wo immer dich dein Weg auch hinführen wird – ich würde zu dir in die Arktis reisen, wenn du dort den Hebel für die Heizung nicht mehr findest. Ich würde dir meinen Sommer leihen, sollte deiner mal ausfallen.  Drei Tüten Lakritze mit dir essen, wenn es sein muss.

Ich bin unfassbar dankbar, dass du Teil meiner Geschichte bist.
Und auch wenn ich mir dich nicht ausgesucht habe:
Ich würde dich immer wieder wählen.

© Annie Spratt / Pixabay